Bad Waldsee - Der 8. März ist Internationaler Frauentag und passend dazu haben der Bündnis 90/die Grünen Ortsverband Bad Waldsee und das Frauennetzwerk BoRa alle interessierten Frauen, aber auch Männer zu einer Veranstaltung zum Thema „Die Hälfte der Macht – Podiumsgespräch über Anspruch und Wirklichkeit" eingeladen. Dass das Thema Gleichberechtigung von Frauen in Politik und Wirtschaft nach wie vor ein sehr wichtiges Thema ist bestätigten die vielen Zuschauerinnen und einige Zuschauer, die die Alte Mälze im Grünen Baum bis auf den letzten Platz füllten. Bild (v.l.): Vier starke Frauen diskutierten am Weltfrauentag: Dr. Sandra Graf-Schiller, Elke Müller, Ulrike Felder-Rhein und Annette Köpfler.
Zum Einstieg begrüßte Margarete Bareis, Sprecherin der Grünen Bad Waldsee, die Gäste und betonte dabei die Wichtigkeit des Themas Gleichberechtigung und Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Seit 1911 gibt es den Internationalen Frauentag in Deutschland, die Ziele waren damals die Einführung des Frauenwahlrechts und gleiche Löhne für Frauen und Männer. Dass das zweite Ziel bis heute nicht erreicht wurde (Frauen verdienen in Deutschland 21 Prozent weniger als Männer), nimmt Bareis als Ansporn für alle Frauen auch heute noch für Chancengleichheit und Gleichberechtigung zu kämpfen.
Auch die Mitveranstalterinnen des Frauennetzwerks Bodensee-Oberschwaben (BoRa) nutzten die Gelegenheit und stellten sich vor. Das parteiübergreifende Frauennetzwerk wurde im Sommer 2016 mit dem Ziel gegründet mehr Frauen für die Arbeit in den kommunalpolitischen Gremien zu begeistern. Ziel ist es, den Frauenanteil in den Kreis- und Gemeinderäten auf 50 Prozent zu steigern. Jeweils kurz berichteten die Vertreterinnen Britta Wagner (Gemeinderätin in Kressbronn, SPD), Doris Zodel (Kreisrätin im Kreis Ravensburg, Bündnis 90/Grüne) und Dr. Silke Rieser (CDU Ravensburg) von ihrem Engagement in den jeweiligen Gremien und Gemeinden.
Bevor schließlich die Podiumsdiskussion startete führte Poetry Slammerin Feli Müller, Tochter von Diskussionsteilnehmerin Elke Müller, mit ihrem emotionalen Text „Gläserne Zukunft“ in das Thema ein. Dabei berichtete sie von der Rolle der Frau in der Arbeitswelt und den Problemen die häufig damit verbunden sind. So z.B. der Zwiespalt zwischen Karriere und Familie: Erfolgreiche Frauen müssen sich oftmals als „Rabenmütter“ beschimpfen lassen, Frauen die dem Bild der „Hausfrau“ entsprechen müssen sich im Gegensatz oft vorwerfen lassen, sie hätten sich gegen die Karriere und somit gegen einen guten Lohn entschieden. Mit der geballten Faust und den Worten „Weil wir Frauen sind!“ forderten die anwesenden Frauen und teilweise auch die Männer Gleichberechtigung im Job, gleiche Bezahlung und die Abschaffung der Diskriminierung von Frauen wegen des Kinderwunschs. Mit der Botschaft „Ich will keine Einteilung mehr in Mann und Frau – Wir sind alle einfach Menschen!“ beendete Feli Müller ihren emotionalen Aufruf an alle Frauen stark zu sein.
Durch den Hauptteil des Abends, der Podiumsdiskussion, führte die Moderatorin und ehemalige, langjährige Leiterin des SWR Studios Friedrichshafen Ulrike Felder-Rhein, die selber im BoRa-Netzwerk aktiv ist. Sie stellte ihre Gesprächsgäste Elke Müller, Annette Köpfler und Dr. Sandra Graf-Schiller in kurzen Interviews vor. Eigentlich hätte auch Katja Liebmann, Bürgermeisterin der Gemeinde Schlier, am Gespräch teilnehmen sollen, lies sich in Ihrem Gruß aber aufgrund der momentanen Lage rund um den Coronavirus entschuldigen.
Elke Müller ist seit sechs Jahren Geschäftsführerin des Waldseer Unternehmens Omnibus Müller und alleinerziehende Mutter von sechs Kindern. Im Transportwesen gehört sie zu den wenigen Frauen in Leitungsfunktion. Außerdem ist sie seit 2019 Kreisrätin des Bündnisses 90/die Grünen. All dies unter einen Hut zu bringen war ihr nur dank anderer starker Frauen, wie ihrer Mutter und ihrer Großmutter möglich. Ihre Herzensangelegenheit im Kreistag ist das Thema Umwelt und das Genderthema sowie Transmenschen.
Annette Köpfler ist Sozialpädagogin und Leiterin der Altenpflege in der St. Elisabeth-Stiftung. Der Reiz an ihrer Leitungsfunktion beschreibt sie darin, dass sie die Möglichkeit hat mit Menschen etwas für Menschen zu erreichen. Ermutigt wurde sie bei der Bewerbung zur Leitungsstelle von ihrem Mann, ohne den sie sich vermutlich nie für diese Stelle beworben hätte. Obwohl die Pflegeberufe eine Frauendomäne sind schätzt sie es, dass die Führungspositionen auf Frauen und Männer verteilt sind, da die Geschlechter unterschiedlich denken und agieren.
Dr. Sandra Graf-Schiller ist Tierärztin und teilt sich die Geschäftsführung des Waldseer Tierpharmaunternehmens SaluVet mit ihrem Kollegen. Als sie die Geschäftsleitung übernahm verband sie Job und Familie indem sie ihr drei Monate altes Baby mit ins Büro nahm und hier mit der Hilfe von Kolleginnen neben der Arbeit versorgte. Dass Männer oftmals anders denken und agieren als Frauen kann sie bestätigen, jedoch gibt es ihrer Erfahrung nach auch Ausnahmen.
Im folgenden Gespräch bestätigten alle drei Frauen, dass das größte Problem der Frauen in der Arbeitswelt die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Karriere ist, auch weil leitende Positionen fast immer in Vollzeit ausgeschrieben sind. Auch einig waren sich die drei Gesprächsteilnehmerinnen bei der Frage, welche Stärken Frauen in Führungspositionen gegenüber Männern haben. So seien Frauen empathischer und somit auch kooperationsfähiger als Männer. Wichtig sei, dass beide Geschlechter „die Sprache des anderen Geschlechts lernen“ findet Annette Köpfler.
Moderatorin Ulrike Felder-Rhein informierte kurz zum Vorschlag von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey, der vorsieht, dass in Zukunft in jedem börsennotierten Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss. Während Annette Köpfler und Elke Müller diesen Vorschlag als nötigen Schritt erachteten, aber auch darauf hinwiesen, dass eine Frau allein eventuell nicht viel ausrichten kann, positionierte sich Dr. Sandra Graf-Schiller dem Plan kritisch gegenüber. So sei die „Quotenfrau“ auf sich alleine gestellt und könne nicht die Stärken der Frauen ausspielen, nämlich Vernetzung und Kommunikation. Wichtiger sei es die Möglickeit zu schaffen, Job und Familie besser zu verbinden.
Bei der Frage was sich verändern müsse, um Chancengleichheit zu schaffen antwortete Graf-Schiller schlagfertig: „Männer müssen endlich Kinder kriegen“. Damit verdeutlichte sie ihre Meinung, dass Familie und Erfolg im Beruf vereinbar sein müssen, um Chancengleichheit zu schaffen. Elke Müller ergänzte, dass nicht nur Frauen für dieses Ziel kämpfen müssen, sondern auch ein Umdenken bei den Männern erfolgen müsse. Und Annette Köpfler stellte vor allem die Unterstützung des Ehemannes/Lebenspartners in den Mittelgrund. Auch eine erfolgreiche Frau brauche einen starken Partner im Hintergrund, der ihr den Rücken frei hält.
Zu guter Letzt sollten alle drei Frauen noch ein Statement für junge Frauen abgeben. Dr. Sandra Graf-Schiller gab den jungen Frauen mit auf den Weg: „Nur in Führungspositionen kann man wirklich was bewegen, daher lohnt sich der hohe Aufwand.“ Elke Müller empfahl: „Bleibt authentisch. Ihr müsst keine Männer werden!“ und Annette Köpfler betonte: „Seit mutig und setzt euch mit den Männern an einen Tisch. Nicht in der zweiten Reihe bleiben.“
Bei der anschließenden Frage- und Gesprächsrunde mit dem Publikum hatten die Besucherinnen und Besucher Zeit Fragen zu stellen oder ihre Meinung zu den angesprochenen Themen zu äußern. Zum Abschluss der Veranstaltung beschenkten die Veranstalter/innen jede Besucherin mit einer Rose zum Internationalen Weltfrauentag.
Bericht und Bilder: die Bildschirmzeitung, Leo Seebold