Bad Wurzach/Leserbrief - Meine Tochter berichtete mir von einer größeren Ansammlung von Jugendlichen, also vermutlich von Schülern Wurzacher Schulen, die im hinteren Teil des Kurparks die „coronabedingte“ schulfreie Zeit genießen wollten.
Verboten ist das laut „Allgemeinverfügung“ des Landratsamtes spätestens seit 17. März. Allerdings ist diese Allgemeinverfügung ebenso fragwürdig wie die vorherigen Begrenzungen auf zunächst 1000, dann 500 und später 100 und zwischenzeitlich 50 und 20 Personen. Warum soll die Gefahr erst ab 21, bzw. 51 Personen unverantwortlich ansteigen? Welch ein Hin- und Her bei uns wegen der Schließung der Schulen und Kindergärten!
Ein völliger Wirrwarr von in sich unlogisch erscheinenden Maßnahmen, was auf behördliches Unvermögen hindeutet. Die Älteren unter den Lesern können sich vielleicht noch an den Frühling 1986 nach der Chernobyl-Katastrophe erinnern, als die Ober-Behörden zunächst auf Tauchstation gingen und auf der unteren Ebene zumeist teilweise unsinnige Maßnahmen angeordnet oder sachfremde Empfehlungen ausgesprochen wurden. Ein Bild aus dieser Zeit: Die Feuerwehr misst mit ungeeigneten Geräten die Radioaktivität von Salatköpfen.
Auch heute sind die Informationen widersprüchlich. Folgt man der Argumentation des Notarztes Dr. Dieing in der Schwäbischen Zeitung vom Mittwoch, könnte man meinen, dass das mit der Gefahr, die von diesem Erreger ausgeht, nicht so schlimm sein könne, da statistisch gesehen, die allgemeine Todesrate bei uns bisher nicht erhöht sei. Offensichtlich sind die Hilferufe eines Arztes aus Bergamo bei uns ungehört geblieben, der beklagt, es sei ähnlich wie im Krieg, dass er dem Sterben vieler Kranker hilflos zusehen müsse, weil ihm die Mittel zum Helfen fehlen. In einigen Bezirken Italiens wurde ähnlich wie in Kriegslazaretten verfahren: Patienten mit leichten Symptomen überlässt man sich selbst oder überlässt sie der Pflege von Freunden und Verwandten. Schwerkranke ohne Aussicht auf Genesung lässt man mangels Beatmungsgeräten sterben. Patienten, deren Allgemeinzustand noch Hoffnung gibt, wird geholfen.
Eine Freundin meiner Tochter aus Mailand berichtet, ein Verwandter hätte einen anderen Verwandten, der deutliche Symptome zeigte, in eine Mailänder Klinik gefahren. Der Fahrer fühlte sich bei Fahrtantritt völlig gesund. Der in die Klinik eingelieferte Kranke hat bis jetzt überlebt. Beim zunächst gesund erscheinenden Fahrer brach die Erkrankung anschließend schnell und heftig aus.
Meine jüngere Tochter steht in Marbella in Südspanien wie alle Spanier unter Hausarrest. Diese Ausgangssperre wird dort von der Polizei rigoros durchgesetzt. So wurden Personen, die an der Strandpromenade spazieren gingen, von der Polizei mit Schlagstockeinsatz zu ihren Wohnungen zurückgetrieben. Die Ansteckungsgefahr an dieser Strandpromenade, an der stets ein frischer Wind vom Mittelmeer weht, dürfte allerdings gegen null gehen.
So etwas wird bei uns niemals geschehen?
Wenn sich bei uns weiterhin größere Bevölkerungskreise leichtsinnig und verantwortungslos unsolidarisch verhalten, können bei uns spanische Verhältnisse schneller kommen, als wir denken.
Die „Corona-Party“ unserer hoffnungsvollen Wurzacher Jugendlichen im Kurpark ist nicht nur verantwortungslos, sie spricht auch noch für die Dummheit der Teilnehmer. Es würde mich nicht wundern, wenn viele unter ihnen an Freitagen „for future“ demonstriert und dabei den älteren Generationen Verantwortungslosigkeit beim Umgang mit der Umwelt vorgeworfen haben.
Hans-Joachim Schodlok
Bad Wurzach