20gebet wuBad Wurzach - Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, in meinem Impuls vom 14.04., dem Dienstag nach Ostern, ging es um die Art der Wahrnehmung. So, wie ich vorgestimmt bin, so erlebe ich die Welt. Ich hatte mich auf zwei Sichtweisen beschränkt. Zum einen kann ich die Welt durch meinen gelebten christlichen Glauben betrachten und danach leben, zum anderen könnte ich meine Welt auch aus der Position eines „Atheisten mit Werten“ gestalten.

 

 

 

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Der eigene Standpunkt macht einen großen Unterschied im Erleben. Dies konnten wir in der Bibel am Beispiel von Maria Magdalena nachlesen. Erst der Anruf Jesu hob sie aus der Trauer empor zur Wahrnehmung des Auferstandenen.

 

Es ging auch um das Gottvertrauen, dass sich nährt und aufbaut, wenn mir eine glaubende Betrachtung in schwierigen Situationen wieder zu Stabilität im Leben geholfen hat.  Bei uns sind die Anlässe, in denen wir uns vielleicht bedrängt fühlen, vielfältig: die Trauer um einen Angehörigen, der Verlust von Gleichmäßigkeit und Sicherheit im Leben durch Krankheit und Arbeitslosigkeit – um nur wenige Aspekte zu benennen.

 

Heute möchte ich mit Ihnen - sprichwörtlich - zu einem dieser biblischen Texte hinabsteigen, der eine der Quellen für unseren heutigen christlichen Glauben darstellt. Und ich möchte eine Konsequenz aufzeigen, die sich daraus ergibt. Diese Quelle sind die Psalmen Davids. Der Glaube Davids wurde für die beschriebene Zeit, an dessen Ende wohl der von mir ausgewählte Psalm 31 entstand, auf mancherlei Art erprobt. Vielleicht wollen Sie die Bibel aufschlagen und diesen Psalm jetzt lesen.

 

In seiner Prüfungszeit, auf der Flucht vor König Saul, lernte David, seine Anliegen vertrauensvoll Gott zu übergeben, diesem Herrn, den er von Kindheit an gewohnt war zu suchen. David ist überzeugt davon, dass Gott auf ihn schaut, selbst, wenn er in manchen Augenblicken seiner Flucht den Eindruck hat, Gott interessiere sich nicht mehr für ihn. Näheres dazu können Sie im spannenden Roman, dem Buch Samuel, in unserer Bibel lesen.

Menschen verzweifeln immer wieder an ihrem Gottesglauben. Häufig finden sie nach Durchleben eines Tiefpunktes („Tal“) ihr Vertrauen wieder zurück (siehe auch Ps 23). In der Bibel wird über viele Menschen erzählt, die das erleben mussten. Das Buch Hiob, z.B., spricht über die existentiellen Nöte eines glaubenden Menschen. Später, im Neuen Testament, gibt es die sehr anschauliche Erzählung über den kritischen Jünger Thomas, der am Glauben an die Auferstehung Jesu zweifelte.

 

Die Erzählungen ähneln sich in verschiedenen Punkten. Ein Weg, heute würden wir vielleicht von einem Prozess sprechen, führt uns aus tiefen menschlichen Abgründen zurück in eine als wohltuend empfundene Gemeinschaft mit Gott. Im Falle des Leidens, Sterbens und Auferstehens unseres Herrn Jesus Christus spricht die Bibel von drei Tagen, drei Schritten, die durchlebt werden müssen:

Ich stelle mich dem Problem, der Aufgabe, dem Leid, der Bedrängnis (Jesu Gespräch mit Gott in Garten Gethsemani, Mk 14, 36 oder Mk 15, 34).

Ich finde wieder Mut mein Leben in die Hand zu nehmen, vielleicht Hilfe zu suchen und anzunehmen und ändere so meine Perspektive (Mk 14. 41ff).

Ich erlebe meine Welt neu gestärkt und fester im Glauben (Mk 16, 14ff).

 

Die Schritte sind personenzentriert, weil wir wie Maria Magdalena und andere Menschen der Bibel auf uns zurückgeworfen sind und in dieser Gemütslage wenig Möglichkeit haben, unsere Umwelt zu erfassen. Erst wenn der Impuls kommt, „Maria!“, „Mensch!“ blicke ich auf meinen Herrn und erlebe damit meine Welt ganz neu. Auch in den Psalmen können wir diese Prozessschritte entdecken. Die Psalmen wurden ca. 600 Jahre v. Chr. niedergeschrieben, als das Volk Israel nach der Vertreibung und dem Exil aus Assyrien ins eigene Land zurückkehren konnte.

Wir Menschen denken also schon lange über dieses Vertrauen in die Führung Gottes nach. Damals, wie zu Zeiten des Thomas, und auch heute ist es nicht leicht, eine vertraute Beziehung zu Gott aufzubauen, auch wenn er seinem Volk und uns das immer wieder zugesagt hat.

 

In Psalm 31, 6 klingen die Worte Jesu am Kreuz voraus. David sang: „In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott“! Und Jesus sprach nach innerem Kampf und Zweifel dann doch auch seinem Vater sein Vertrauen aus: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (Luk 23, 46)“. Jesus findet innere Gewissheit, dass sein Vater zu ihm steht und kann so getröstet seinen Weg weitergehen und den eingeleiteten Prozess der Veränderung beenden.

Die Fragen Jesu am Kreuz sind auch unsere Fragen. Der Frage „Warum lässt Gott das zu, wenn er so barmherzig ist?“, Zweifeln, Ängsten, Misstrauen, begegnet man nicht mit einem „Da verstehst Du etwas falsch!“.

Über all die Jahrhunderte, in der diese Frage gestellt wurde, gab es viele Denkansätze, die letztlich der Botschaft von Gottes allumfassender Liebe nicht gerecht werden. Aber es wird immer wieder deutlich, dass wir uns miteinander, vor allem aber mit unserem Gott, auf den Weg begeben können. Auf dem Weg hinterfragen wir gemeinschaftlich, wo Gott uns in all unserer Verzweiflung, unserer Hoffnungslosigkeit, unserer Angst und unserem Misstrauen vielleicht doch begegnet ist. Eine nicht leichte Lebenssituation gemeinsam hoffend und glaubend auszuhalten - auch ohne eine offensichtliche Antwort oder Lösungsmöglichkeit - zeichnet das christliche Miteinander aus.

 

Ich darf an die vielfältigen sozialen kirchlichen und weltlichen Einrichtungen unserer Republik erinnern, die es in vielen Ländern gar nicht gibt. Wir können da innerhalb Europas schon Unterschiede feststellen. Besonders deutlich wird es in einigen asiatischen, afrikanischen und, jetzt etwas aus dem Blick geraten, lateinamerikanischen Ländern. Auch unsere Kirchengemeinden mit ihren vielen Ehrenamtlichen sind Teil unserer sozialen Teilhabe. Seien wir dankbar dafür, dass wir Zeit haben für ein solches Engagement, und dass ein Teil unserer allgemeinen Steuern in solche Einrichtungen fließen kann.

Jetzt in Zeiten der Pandemie können wir zunehmend Solidarität untereinander feststellen, aber auch irrationale Ängste und Ablehnung. Als Christen tragen wir dazu bei, all jene zu unterstützen, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft unterstützen.

 

An mich und an jeden Einzelnen, der sich in einer scheinbar aussichtslosen Situation gefangen sieht, geht die Frage, die auch damals an Maria Magdalena gestellt wurde: „Mensch [Frau], warum weinst du? Wen suchst du? (Joh 20, 15)“ oder wie es ca. 600 Jahre früher niedergeschrieben wurde:
„Ich aber sagte in meiner Angst: Ich bin verstoßen aus deinen Augen. Doch du hast mein lautes Flehen gehört, als ich zu dir um Hilfe rief. (Ps 31, 23)“.

 

Zum Abschluss unseres Nachdenkens heute beten wir ein Gebet, dass uns Bischof Gebhard mit auf den Weg durch diese Zeit gegeben hat.
Beten wir gemeinsam:

Guter und treuer Gott
wir tragen unsere Sorgen und unsere
Ängste vor Dich und wir bitten
in diesen beängstigenden Tagen
um deinen Beistand.

Gib uns deinen lebenspendenden Geist,
der sich uns in Jesus Christus gezeigt hat.
Lass uns in deinem Geist erkennen,
was richtig ist und gib uns die Kraft,
das rechte entschlossen zu tun.

Lass uns die Schwachen, Einsamen, Kranken,
die Verängstigen und Bedrückten aller Art
nicht übersehen.
Hilf uns, dass wir diese Menschen
nicht vergessen oder an ihnen vorbeigehen.

Gib uns die Kraft zu helfen und
heilsame Begegnungen zu ermöglichen.
Lass sie durch unser Verhalten ihnen gegenüber
deinen wirksamen Beistand erfahren.

Durch uns möge Deine Güte und
Menschenfreundlichkeit
lebendig werden und bleiben.
Das erbitten wir in dieser schweren Zeit von Dir,
guter und treuer Gott.

Amen.

(Bischof Dr. Gebhard Fürst)

 

Herzlichst, Ihr Diakon B. Rosenthal, SE Bad Wurzach

 

Bild: Von Warburg - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6083782

 

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